Linkes Szenehaus „Rigaer 94“ in Friedrichshain: Berliner Landgericht will Räumungsklagen wohl abweisen

Seit Jahren beschäftigt das Symbol der linksradikalen Szene Polizei und Justiz. Auf einen großen Polizeieinsatz folgen nun eine Reihe von Gerichtsprozessen. Einige erledigen sich von selbst.
Von Madlen Haarbach
Droht dem wohl letzten besetzten Haus Berlins demnächst die Räumung? Zeitnah wird es in den Prozessen rund um die „Rigaer 94“ in Friedrichshain keine Entscheidung geben. Allerdings ließ der zuständige Richter des Berliner Landgerichts am Mittwoch bereits eine Tendenz durchscheinen.
Es ist ein komplexes juristisches Problem, dem sich das Gericht in zwölf Berufungsverfahren stellen muss: Ist eine britische Limited in Deutschland prozessbefähigt? Genau über diese Frage streiten sich die Eigentümerin des teilbesetzten Hauses in der Rigaer Straße 94, die Lafone Investments, und deren Bewohner:innen seit Jahren in diversen Räumungsprozessen.
In allen zwölf Verfahren hatte das Amtsgericht Kreuzberg die Räumungsklage abgewiesen, da das Unternehmen nicht prozessfähig sei. In einem weiteren Verfahren hatte das Berliner Kammergericht allerdings anders geurteilt und die Rechtsfähigkeit festgestellt.
Aus Sicht der zuständigen Kammer in den aktuellen Verfahren habe die Lafone allerdings bislang nicht nachgewiesen, dass ihr Sitz in England sei. Daher gelte für sie auch kein britisches Recht. Er tendiere dazu, der Auffassung der Amtsgerichte zu folgen, kündigte der Richter an. Parallel öffnete er der Hauseigentümerin aber auch eine Tür: Sofern die Gesellschaftsform in eine umgewandelt würde, die in Deutschland gesetzlich anerkannt sei, sei auch die Eigentümerin in Deutschland prozessfähig. Dann müssten aber die Gesellschafter persönlich benannt werden und haften.
Streit über Gaza-Konflikt
Dazu kommt: In mehreren der zwölf Verfahren geht es um Altmietverträge aus dem Jahr 1992. Die früheren Bewohner:innen haben allerdings mittlerweile signalisiert, die Wohnungen freiwillig räumen zu wollen. „Da stellt sich die Frage: Wo besteht eigentlich das Problem?“, fragte der Richter.
Dahinter steckt ein interner Konflikt: Im Zuge des Gaza-Konfliktes hatten sich einige der Bewohner:innen des Hauses mehrfach antiisraelisch positioniert. In einem Statement schrieben die Besetzer:innen 2023 etwa von einem „Ausbruch aus dem größten Gefängnis der Welt“ und meinten damit den Terrorangriff der Hamas auf Israel. Das lehnten offenbar viele der älteren Bewohner:innen ab.
Der Richter hatte den Anwälten der Eigentümergesellschaft daher nahegelegt, sich mit zumindest einigen der Beklagten in einem Vergleich auf eine Kündigung der Mietverträge zu einigen. Dem folgten einige der Mieter:innen. Ebenfalls vor Gericht standen weitere Personen, die bei Durchsuchungen in dem Haus angetroffen wurden und dort vermeintlich zumindest zeitweise wohnten. Diese lehnten Vergleiche geschlossen ab, bestritten aber auch, in dem Haus zu leben.
Erst vor zwei Wochen hatten Polizist:innen das Haus in der Rigaer Straße durchsucht. Damit wollte die Lafone Investments feststellen lassen, wer aktuell in dem Haus wohnt und einen Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vollstrecken lassen. Um mögliche neue Bewohner:innen geht es allerdings in den aktuellen Verfahren gar nicht.
Die aktuellen Bewohner:innen der „Rigaer 94“ verkündeten im Vorfeld der Prozesse, dass sie kein Interesse daran hätten, sich in irgendeiner Form mit der Eigentümerin zu einigen. „Auch wenn Richter*innen also entscheiden sollten, dass Leonid Medved und die Cops das Recht hätten unser Haus zu räumen, wollen wir daran erinnern, dass wir uns nicht an ihre Spielregeln halten“, heißt es in einem Statement.
Und weiter: „Kein Immobilienhai sollte sich in dieser Stadt sicher fühlen.“ Zudem kündigten sie an, sich einer möglichen Räumung mit Gewalt zu widersetzen. Auch ihre Unterstützer:innen riefen sie dazu auf, „die Dinge selbst in die Hand zu nehmen“. Dem folgten offenbar einige: In den vergangenen Wochen brachen Unbekannte unter anderem in das Berliner Büro des vermutlichen Haupteigentümers hinter der Lafone Investments ein und attackierten auch das Café seiner Tochter.
passiert am 11.09.2025